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Bisher war das untenstehende Interview gelinkt. Da jedoch die Zielseite nur noch sporatisch erreichbar ist, habe ich euch das Interview hierher kopiert.

HaJo 22.09.2008


Peter Puck über seinen Rudi, sein Leben als doppeltes Stiefkind und ernsthaften Humor

11. März 2008 07:00 MEZ

 

Ein Päckchen rote Gauloises und ein großes Bier im Plastikbecher. Comiczeichner und Comic-Galerie-Gast Peter Puck ist für alle Eventualitäten gewappnet. Nur zu verständlich, denn „manchmal hat man immer nur Pech.“ Bestes Beispiel: seine Comic-Figur Rudi. Doch der steckt das schon weg, obwohl, viel Geld schaut für beide nicht raus. Jetzt macht Puck fast nur „noch diesen Werbescheiß“, wie seine Fans bemängeln. Auf niedrigstem finanziellem Niveau herumkrebsen, will er aber auch nicht mehr. Und Mangas zeichnen schon gar nicht. Aber mit Comics kennt sich Peter Puck so und so nicht so gut aus.

 

 

 Was ist Rudis Problem? Was macht Rudi falsch?

 

  Warum? Rudi macht gar nichts falsch.

 

 Bei Rudi läuft aber doch so einiges schief.

 

  Ja, natürlich. Aber er macht nichts falsch, das ist das Leben. Rudi macht keine Fehler.

 

 Die Figuren können also gar nicht soviel dafür, es sind eben die Umstände?

 

  Ja, genau. Pech einfach. Das kenne ich selbst aus meinem Leben, manchmal hat man dauernd nur Pech. In Österreich nicht, aber bei uns ist das so.

 

 Haben Sie nicht manchmal Mitleid mit Rudi?

 

  Ja, das ist eigentlich alles schlimm, was Rudi da passiert, aber es gibt Figuren, mit denen ich mehr Mitleid habe. Es gibt ja einige traurige Figuren bei Rudi, zum Beispiel den Heinz. Manche Figuren haben aber ein reales Vorbild, es gibt eben solche Menschen. Einerseits ist das witzig, andererseits auch schlimm. Ich mache oft Geschichten, die oberflächlich lustig, aber im Grunde tief traurig sind. Für Rudi ist das aber kein Problem, der ist so selbstbewusst und cool, der steckt das schon weg.

 

 Gibt es noch Hoffnung oder wird das ewig so weitergehen?

 

  Momentan geht gar nichts weiter, weil ich mit der Serie aufgehört habe. Ich mache eine „Kreativ-Pause“. Ich habe das seit 1985 gemacht und irgendwann ist die Luft raus. Rudi macht viel Arbeit, es ist anstrengend und ich musste jeden Monat eine ganze Seite produzieren, dafür brauche ich ungefähr zwei Wochen. Das wurde mir irgendwann zuviel. Ich wollte dann drei Monate pausieren und mittlerweile sind zwei Jahre daraus geworden. Aber ich bin immer noch ganz erleichtert, dass ich diese Last los bin. Auf Dauer und auf Knopfdruck kreativ und witzig zu sein, ist schwer.

 

 Wie kann man sich den Tagesablauf eines Comic-Zeichners vorstellen?

 

  Ich fange immer so um zehn Uhr an. Ich brauche nach dem Aufstehen zwei Stunden zum Warmlaufen und arbeite jeden Tag, so bis fünf oder sechs Uhr. Mittagessen zwischendrin. Ganz normal und eigentlich langweilig. Zurzeit experimentiere ich viel mit dem Computer. Ich zeichne natürlich noch von Hand, aber zur Nachbearbeitung, finde ich das sehr interessant. Da könnte man sich vielleicht auch viel Arbeit sparen. Das Problem ist, dass man zwei unterschiedliche Stilebenen vereinen muss, damit nicht jeder gleich sieht, das eine ist eine Handzeichnung und das andere ist am Computer gemacht. Ich arbeite jetzt hauptsächlich an Auftragsarbeiten und mache schon seit fünfzehn Jahren Cartoons für Mitarbeitermagazine, etwa für Hewlett Packard.

 

 Wie viel Satire dürfen Sie den Mitarbeitern denn zumuten?

 

  Erstaunlich viel. Die Auftraggeber geben mir das Thema vor und ich mache ihnen verschiedene Entwürfe, wobei oft dann der Schärfste genommen wird. Das sind auch manchmal heikle Themen, etwa Mitarbeiterentlassungen oder Ähnliches.

 

 Comics sind weder als literarische Textsorte, noch als Malerei anerkannt. Wie lebt es sich als doppeltes Stiefkind?

 

  Es ist viel besser geworden. Comic wird jetzt auch ein bisschen als Kunstform akzeptiert. Das ist aber mit etablierten Kunstformen nicht zu vergleichen und eine unbefriedigende Situation, weil genauso viel Arbeit drin steckt und es trotzdem nicht so ernst genommen wird. In Deutschland ist alles, was lustig ist und unterhalten soll von vornherein schon einmal zweitklassig. Es mag jeder gern, aber richtig ernst nimmt es keiner. Humor muss man ernst nehmen, sich eine witzige Geschichte auszudenken, ist wirklich schwierig.

 

Ich bin in den 60er Jahren groß geworden, da waren Comics völlig verpönt. In meiner Schulzeit durften wir keine Comics lesen, da sind die Lehrer durchgedreht. Aber die Leute lachen heute immer noch, wenn sie mich fragen, was ich beruflich mache und ich antworte: „Ich bin Comiczeichner“. Da grinsen immer alle. Es ist eben immer noch ein sehr skurriler Beruf. Er interessiert die Leute zwar sehr, aber sie sind nicht so beeindruckt, als wenn jemand sagt, er ist Herzchirurg.

 

 Sie empfinden sich dann überhaupt als Künstler?

 

  Ja, natürlich. Ein guter Comiczeichner ist immer ein Künstler.

 

 Ab wann ist man denn ein guter Comiczeichner?

 

  Das ist schwierig, ich sehe es zwar, kann es aber nicht definieren. Ich sehe es am Strich und an den Geschichten. Was eine große Rolle spielt ist, wie viel Herzblut drin steckt.

 

 Gehören Sie zu den Guten?

 

  Ich?! Ja, das ist klar, aber es gibt sehr viele. Und die werden immer jünger und immer besser. Es ist absolut demotivierend, wenn ich irgendwelche fünfundzwanzigjährigen Jungs sehe und merke, was die alles drauf haben und weiß, dass ich nie so gut zeichnen werde. Es gibt aber nicht so viele, die beides können, Geschichte erzählen und zeichnen. Es gibt eben nur sehr wenig gute Autoren. Das scheint die Königsdisziplin zu sein.

 

 Und wer gehört dann zu den Schlechten?

 

  Das kann ich hier natürlich nicht sagen. Es gibt genug überbewertete Comiczeichner, aber ich nenne jetzt keine Namen. Viele sind einfach okay, aber so der Hit sind sie nicht. Es krankt dann meistens an den Geschichten.

 

 Sind Sie deshalb Comiczeichner geworden? Um alles besser zu machen?

 

  Das war Zufall. Ich habe in Tübingen Kulturwissenschaften studiert und dann angefangen, Zeichnungen zu veröffentlichen. Das wurden dann immer mehr, ich habe tatsächlich Geld damit verdient und plötzlich war ich Comiczeichner. Das war aber nie geplant und nie mein Berufswunsch. Ich lese auch selbst fast nie Comics und kenne mich eigentlich gar nicht so gut aus.

 

„Asterix-Filme sind eine Katastrophe“

Peter Puck über fehlende Kohle, Ironie und unausstehliche Manga-Gesichter

 

 Comiczeichnen scheint aber trotzdem keine Alternative zum BWL-Studium zu sein?

 

  Ja, wenn ich mehr verkaufen würde, wäre das schon klasse. Das ist auch einer der Gründe, warum ich pausiere. Irgendwann verliert man die Lust, wenn man auf niedrigstem finanziellem Niveau rumkrebst, obwohl man wirklich alles investiert und schwer arbeitet, es aber einfach nicht honoriert wird. Wir sind nun mal kein Comic-Land und es lesen eben nicht soviele Leute Comics. Wenn ich dann sehe, was ich mit anderen Aufträgen verdiene, für die ich nur zehn Prozent an Energie und Kreativität aufwenden muss und die Leute auch zufrieden sind, denke ich mir schon: „Dann mache ich es halt nur noch fürs Geld.“

 

Klar, ich bekomme einen Haufen E-Mails, und alle sagen, „Du kannst doch den Rudi nicht sterben lassen, das bist doch ein Stück weit du und jetzt machst du nur noch diesen Werbescheiß.“ Das stimmt schon, aber wenn dann die Kohle kommt, schaut das gleich ganz anders aus. Man sagt ja immer, entweder ein Job bringt Geld, oder er macht Spaß, oder er bringt Anerkennung. Manchmal mache ich Sachen nicht für Geld, dann macht‘s halt Spaß oder ich bekomme Anerkennung, das ist auch toll. Wenn alles drei zutrifft, ist es natürlich am allerbesten.

 

 Alle drei Punkte sind mit Comiczeichnen nicht zu vereinen?

 

  Spaß machen tut es schon, auch wenn es manchmal eine Quälerei ist. Anerkennung ist auch kein Problem, nur mit der Kohle klappt’s nicht wirklich.

 

 Der Verlagswechsel zu Ehapa hat monetär also nicht wirklich etwas gebracht?

 

  Auf den Wechsel hatte ich große Hoffnungen gesetzt, aber es stimmt, es hat nicht diesen Wahnsinns-Sprung gebracht. Ich dachte erst, „ein Riesenverlag, in Farbe und ganz andere Marketing Möglichkeiten“, aber zur gleichen Zeit ist der gesamte Comicmarkt in Deutschland zurückgefahren. Es werden eigentlich nur noch Mangas gelesen. Aber es ist schon ein Riesenerfolg, dass eine Serie, die in den 80er Jahren entstanden ist – und der man das auch anmerkt – heute noch läuft. Es gibt keine deutsche Serie, die so lange durchgehalten hat. Zwar verkaufstechnisch nicht auf hohem Niveau, aber immerhin konstant. Ich habe immer mein Publikum gehabt. Jetzt erlebe ich schon, dass alte Rudi-Fans etwa Ärzte oder Vertriebsmanager sich bei mir melden und mir einen Auftrag geben.

 

 Wenn Mangas gerade so gehypt werden, bietet sich da kein Genre-Wechsel an?

 

  Leider kann ich Mangas nicht ausstehen. Das ist das Problem. Ich verstehe auch nicht, warum die so erfolgreich sind. Mangas sind zwar klasse filmisch erzählt, aber ich mag die japanische Art Gesichter zu zeichnen nicht. Das ist mir zu schablonenhaft. Was ich gut finde ist, wenn man eine Mischform macht, aber ein Genrewechsel kommt nicht in Frage. Nur wegen der Kohle die künstlerische Identität aufgeben, das geht nicht. Ich werde ja auch oft gefragt, ob ich einmal eine andere Serie oder Figur mache, aber ich denke mir, da wird immer Rudi dabei herauskommen, weil das schon ich bin.

 

 Warum ist dann Rudi ein Tier und kein Mensch?

 

  Weil ich damals keine Knollnasen-Figuren zeichnen wollte und mich an Carl Barks Figuren orientiert habe. Alles, was bei ihm keine Enten sind, sind Hunde. Das hat mir gefallen mit der schwarzen Knopfnase. Ich habe Rudi auch nie konzipiert und mir dabei etwas gedacht. Ich habe einmal die erste Geschichte gemacht, wie es weitergeht wusste ich noch nicht. Deshalb habe ich mir keine Gedanken über die Frisur gemacht, oder was das für ein Typ ist. Ich wusste ja nicht, dass das dann zwanzig Jahre lang weitergeht.

 

 Die Rudi-Comics sind auch Gesellschaftskritik. Würde es Sie reizen einmal eine positive Utopie zu zeichnen?

 

 Wenn mir eine einfällt. Aber es ist leichter einfach die Realität herzunehmen. Rudi ist eigentlich relativ schwarz und satirisch. Rudi geht, finde ich, manchmal eher Richtung Kabarett. Textlich. Meine Ursprungsidee waren nette kleine Figuren und dann eine sehr böse Geschichte.

 

 Wer die Gesellschaft kritisiert, will doch auch eigentlich etwas verändern.

 

  Nicht unbedingt, manchmal will man nur kritisieren. Verändern ist zu schwierig, also Beobachten und Hinweisen. Manche Leute verstehen das aber auch nicht. Ich habe schon sehr böse Briefe von Leuten bekommen, die manche Sachen nicht lustig fanden. Bestimmte Themen wie Kindesmissbrauch in einem Comic zu verarbeiten, ist einfach nicht jedermanns Geschmack.

 

 Es heißt ja auch, Leser verstehen prinzipiell keine Ironie.

 

  Das kann man so nicht sagen, aber nicht jeder versteht Ironie. Das ist erstaunlich. Ich habe selbst Bekannte, da kann ich die härtesten Sprüche bringen und die nehmen mich tatsächlich ernst und schauen mich an und denken sich, „Was für ein Idiot, wie kann der so etwas sagen“. Die kapieren gar nicht, dass ich das gar nicht ernst meinen kann.

 

 Sind viele Menschen von Rudi überfordert?

 

  Ja, aber die, die überfordert sind, lesen Rudi nicht. Die, die Rudi lesen, sind nicht überfordert, die verstehen auch Ironie. Aber dass Rudi Leute überfordern kann, glaube ich schon. Wobei ich manchmal bei Signierstunden sehr überrascht bin, dass Rudi sehr wohl verschiedene Ebenen hat. Es gibt auch viele, die Rudi als lustigen Gag-Comic lesen. Man muss auch nicht unbedingt jede Anspielung verstehen. Es sind viele Anspielungen drin, bei denen ich weiß, dass das die meisten nicht verstehen, lasse sie aber trotzdem drinnen. Es sind ja nicht immer nur die Hyper-Intellektuellen, die Rudi lesen.

 

 Lesen Sie manchmal Ihre alten Rudi-Comics?

 

  Ja, aber nicht absichtlich. Manchmal, wenn ich ein bestimmtes Bild suche, bleibe ich an einer Geschichte hängen und lese sie dann, wie ein fremder Leser, weil ich mich gar nicht mehr dran erinnern kann. Da bin ich oft völlig überrascht, dass ich das mal gemacht habe und denke mir, „Wow, der Gag ist gar nicht schlecht“. Das lag auch an der Produktion. Ich war so froh, dass ich mit der Seite durch war, dass ich manchmal im nächsten Monat nicht mehr wusste, was für Geschichten ich eigentlich gemacht habe.

 

 Und wenden Sie sich auch des Öfteren mit Schrecken von einem Ihrer Rudis ab?

 

  Manchmal denke ich mir schon, „Um Gottes Willen, das hättest du echt anders machen müssen.“, aber auch, „Das ist aber eine gute Idee, solche Ideen hast du heute gar nicht mehr. Wow, da war ich noch richtig gut.“ Die Gags, die mir am besten gefallen, finden die meisten Leute gar nicht so lustig. Jeder erzählt mir immer seine Lieblings-Rudi-Gags. Das sind manchmal Sachen, die ich eigentlich weglassen wollte. Und die Lachen sich darüber tot.

 

 Sind Comics im Zeitalter der Animationsfilme vom Aussterben bedroht?

 

 Das könnte fast sein. Und ich befürchte das auch. Wobei ich sagen muss, ich kenne keine einzige gute Animationsadaption eines Comics. Die Asterix-Filme sind eine Katastrophe. Ich finde die Asterix-Comics weitaus filmischer, bewegter und lebendiger als die Filme. Vielleicht ist es aber auch die Faszination, dass man nur Papier und einen Stift braucht und schon Comics machen kann und man muss nicht Millionen für das Equipment ausgeben. Der Trend geht ja auch wieder zum Handgemachten. Bei meinen Werbejobs wollten die Leute teilweise überhaupt keine Computercolorationen. Man soll sehen, dass es handgemacht ist. Am Perfekten sieht man sich vielleicht zu schnell satt.

 

Interview führten Daniel Messner > daniel.messner(at)CHiLLi.cc

und Markus Peyerl > markus.peyerl(at)CHiLLi.cc