>>> ZACK - Oktober 2001
Fünf Rudi-Bände hat Peter Puck seit 1987 im Stuttgarter Heinzelmännchen Verlag publiziert. Nun präsentiert er zum Jahresende 2001 seinen vielen Fans ein neues Album:
>>> Ein Fest für Rudi
Ohne große Vorankündigung und lästiges PR-Gebrabbel kommt der Titel in der vorweihnachtlichen Zeit geradewegs in die Buchhandlungen. 48 Schwarzweiß- Seiten, gebündelt im fleischfarbenen Umschlag, die es in sich haben: Besinnlichkeiten der ironischen Art, gezeichnete Satiren, ein Fest für Genießer.
Peter, was hast du in den letzten 43 Monaten getrieben?
Das, was ich immer treibe: Ich habe gearbeitet. Gezeichnet!
Der letzte Rudi-Band Freunde für´s Leben datiert immerhin vom Mai 1998.
Inzwischen gibt es diese Perioden. Das dauert nun mal gut drei Jahre, bis ich wieder genügend Material für ein Album zusammen habe.
Benötigst du wirklich so viel Zeit zur Kreation von neuen Comics?
Ja, ungelogen, weil ich nur eine Seite im Monat mache.
Warum brauchen Comicfans unbedingt Ein Fest für Rudi?
Damit sie endlich mal wieder was zum Lachen haben.
Werden die Leser wieder von zig Wimmelbildern mit vielen Sprechblasen und noch viel mehr Texten drin erschlagen?
Klar. Alles ist noch schlimmer wie früher.
Im Ernst: Hast du schon mal daran gedacht, einen Roman zu schreiben?
Das wäre jedenfalls angenehmer, denn wie man sieht, fällt mir das Schreiben leichter als das Zeichnen.
Dann sag doch mal, wann erscheint dein erster Roman?
Ich weiß nicht, ob die Leute von mir einen Roman lesen wollen. Das habe ich mir ehrlich gesagt noch nie überlegt. Aber vielleicht erscheint ja mal einer. Wenn, dann wäre dies aber sicher irgendwas mit so typischem Rudi-Klamauk: gute Sprüche, bösartig, zynisch, schwarzer Humor.
Drückt sich deine Persönlichkeit, deine Gedankenwelt eher über Rudi oder eher über Fred aus?
Über Rudi, der eher diesen Charakter von mir hat. Teile davon habe ich ihm gegeben. Andere, die ich vielleicht gerne hätte, hat Fred abbekommen.
Bist du aggressiv, sexistisch, atheistisch?
Keines von alledem. Rudi ist das übrigens auch nicht. Er ist weder aggressiv, noch rassistisch, noch sonst was. Rudi ist immer depressiv, ein eher negativ eingestellter Mensch, der sich viele Gedanken macht. Ein Pessimist. Fred ist dazu der Gegenpol. Der nimmt alles locker, ist Optimist, macht sich keine großen Gedanken.
Gab es jemals Proteste von Lesern, weil dein Zynismus in seiner ironischen Ãœberzeichnung nicht verstanden wurde?
Dafür, dass ich manchmal bis an die Grenzen gehe, erstaunlich wenig. Aber natürlich gab es sie. Mit der Ironie ist das vor allem in Deutschland ja so eine Sache, sie wird oft nicht wirklich verstanden. Die aktuelle Diskussion rund um die Terroranschläge zeigt wieder, dass Humor da plötzlich zu schweigen hat, er keinen Platz mehr hat. Humor wird stets als eine Verharmlosung angesehen. Das ist es, was auch mir immer wieder vorgeworfen wird, wobei schwarzer Humor bestimmt nicht verharmlost. Freud hat mal gesagt, dass Humor auch eine Möglichkeit ist, mit Problemen umzugehen, er eine Bewältigungsstrategie sein kann.
Rudi liefert ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Reflektierst du unsere Zeit oder reagierst du auf sie?
Beides, ich reagiere und reflektiere. Das ist mir wichtig. Rudi ist eine gezeichnete Satire, die Dialoge haben teilweise etwas von Kabaretttexten. Das ist nicht einfach nur so eine Witzserie. Damit fällt Rudi heraus aus dem Raster des typischen Comics.
Wohnungssuche, Umzug, Nachbarn sind Themen, denen du im neuen Album breiten Raum einräumst. Waren hierfür eigene Erfahrungen Impulsgeber?
Das sind absolut autobiografische Sachen. Ich habe zwei, drei schwere Jahre hinter mir, in denen genau das passiert ist. Das war absolut nicht lustig. Ursprünglich wollte ich sogar meine monatliche Rudi-Seite für die Stadtmagazine ausfallen lassen, weil mir damals nichts lustiges einfiel. Dann aber habe ich das Selbsterlebte zu Geschichten gemacht - Wohnungssuche, Umzugsstress usw. - und daraus wurden gute Comics. Die sind sehr witzig, obwohl sie unter schwierigsten Bedingungen entstanden sind. Es muss wohl einem Künstler schlecht gehen, damit er inhaltlich gut ist. Leider... Ursprünglich sollte das Album deshalb auch Harte Zeiten heißen. So ein autobiografischer Bezug ist aber eigentlich uninteressant. Entsprechend habe ich mich dann mit dem neuen Titel und der Coverillustration herumgequält, aber ich denke, wir haben jetzt eine ganz gute Lösung gefunden. Ein Cover machen, das ist die Hölle.
Was blockiert dich da?
Dass ich weiß, das wird das Cover. Ich habe dann das Gefühl, jeder Strich muss auf den Bruchteil eines Millimeters genau sitzen, den richtigen Schwung haben. In dem Moment bist du derartig blockiert, dass du nicht mal mehr Dinge zeichnen kannst, die du sonst im Halbkoma hinkriegst. Ich hoffe, dass es anderen Zeichnern auch so geht.
Rudi haben wir stets als Szenecomic bezeichnet, die Helden Rudi und Fred plakativ als Stadtneurotiker. Haben sich die Beiden in den sechzehn Jahren seit ihrer Geburtsstunde nun nicht eher zu normalen Bürgern wie du und ich gewandelt, die sich mit den Unbilden des Lebens herumzuschlagen haben?
Das spielt meist schon noch in der Szene, hängt aber auch immer davon ab, wie es mir geht, und wie ich drauf bin. Und da ich nun mal nicht jünger werde, ist das nur natürlich, dass sich daraus manchmal normale Alltagsgeschichten ergeben. Rudi an sich ist ja so eine Figur der achtziger Jahre. Klar versuche ich aktuelle Sachen einzubauen. Wenn ich in der Richtung aber nichts erlebe, findet das auch bei Rudi nicht statt.
Rudi ist eine Comicserie klassischer Prägung: aufwendig konzipiert, mit ausgefeilten Zeichnungen und Dialogtexten voller Gags. All dies wird meist auf einer Seite in vier Streifen komprimiert und abgehandelt. Hast du den Eindruck, dass diese Formel die Leser heute noch in Bann zieht?
Was die Leser in Bann zieht, sind gute Geschichten, intelligente Gags, wo es was zum Lachen gibt. Ich glaube, in welcher Form das präsentiert wird, ist weniger wichtig. Die Kritik mit den vielen Texten und den arg vollen Seiten kommt natürlich immer. Das sehe ich auch vollkommen ein. Ich bedauere die Leser wirklich, aber ich habe es in den sechzehn Jahren nicht geschafft, das irgendwie lesefreundlicher zu gestalten. Das liegt daran, dass die Geschichten sehr komplex sind, und ich immer denke, ich muss mehr Gags einbauen, damit die Leser nicht enttäuscht sind. Hätte ich zehn Seiten zur Verfügung, würde ich es nicht so machen, bei einer wird es aber schwierig. Rudi-Comics lesen macht vielleicht intelligent, aber leider auch blind.
Für diese Ausgabe von ZACK wurden fünf der Seiten aus dem neuen Album von Andre Kurzawe in Berlin koloriert, um deren Lesbarkeit zu erhöhen. Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?
Ich war angenehm überrascht, sogar ziemlich begeistert. Ich bin eher skeptisch, wenn jemand anders die Blätter koloriert. Es gibt da einfach die verschiedensten Möglichkeiten, eine Seite bunt zu machen. Aber was Andre daraus gemacht hat ist sehr gut. Vor allem hat er sich in meine Art des Kolorierens hineingedacht, keine logischen Fehler gemacht und sich selbst Sachen einfallen lassen. Eigentlich hat er es schöner ausgeführt, als ich es hätte tun können. Mir persönlich gefällt eine am Computer eingefärbte Seite besser als die, die ich mit den Stiften mache. Und natürlich wird die Lesbarkeit tatsächlich erhöht. Die meisten Leute wollen nun mal farbige Comics sehen. Das ist heutzutage der Standard.
Wird es in absehbarer Zeit ein Rudi-Farbalbum geben?
Möglich, wir denken das an.
Für hiesige Comicverhältnisse ist Rudi ein Bestseller. Wie erklärst du dir selbst diesen Erfolg?
Das ist offenbar einer der wenigen Fälle, wo sich Qualität mal bis zu einem gewissen Grad durchgesetzt hat. Was ich sonst so beobachte im Comic- oder auch im Musikbereich ist eher von mangelhafter Qualität. Das aber ist erfolgreich, während wirklich gute Sachen leider untergehen. Ich bin jetzt nicht so wahnsinnig überzeugt von dem, was ich mache, aber wenn ich manchmal mit Abstand alte Seiten von mir anschaue, muss ich bisweilen selber lachen und denke Wow!, wie bist du auf die Idee gekommen?
Du bist möglicherweise der einzige Zeichner im Land, der über einen so langen Zeitraum seine kreative Kraft ausschließlich in eine Serie gesteckt hat. Gab es nie den Wunsch, neben Rudi eine weitere Serie zu gestalten?
Die Frage kommt erstaunlicherweise oft. Ich habe dazu nie die Veranlassung gesehen, weil meine ganze kreative Kraft eben gerade so für Rudi reicht. Mehr ist da nicht drin. Würde ich eine neue Serie machen, dann käme da außerdem garantiert wieder so eine Art von Rudi dabei heraus.
Wurmt es dich, dass du in Erlangen bereits mehrmals als bester deutscher Comicautor nominiert warst, die Jury dich aber nie zum Preisträger kürte, weil sie offensichtlich mit gut gemachtem populären Material ihre Schwierigkeiten hat?
Es wurmt mich nicht. Ich finde es eher unverständlich, kann es irgendwie nicht ganz nachvollziehen. Inzwischen bin ich aber stolz darauf, dass ich der Einzige bin, der dreimal nominiert war und den Preis nie bekommen hat. Ich hoffe, damit ist die Diskussion in Erlangen ein für allemal gegessen.
Liest du Comics?
Ganz wenig. Und wenn, dann nur die alten Sachen. Klassiker, die ich schon als Kind gelesen habe. Da bin ich eher so ein bisschen nostalgisch.
Magst du Manga?
Nein. Ich bewundere, wie aufwendig sie teilweise gezeichnet sind. Ich weiß natürlich nicht, was da mit dem Computer und was tatsächlich von Hand gemacht ist. Visuell haben die eine Wahnsinnspower, aber interessieren tun sie mich nicht.
Hat eigentlich schon mal jemand daran gedacht, Rudi als Zeichentrickfilm zu animieren?
Das weiß ich nicht. Ich bin bei so was äußerst skeptisch. Was ich kenne an Comicadaptationen in Zeichentrickform ist alles Müll.
Ich weiß, du stehst total auf türkische Popmusik. Wie kam es dazu?
Durch meine verschiedenen Türkei-Aufenthalte und weil ich auch Türkisch gelernt habe. Eines Tages habe ich im Urlaub eine CD gekauft und zu Hause dann festgestellt, dass darauf absolut geniale Musik ist. Das war vor etwa vier Jahren. Inzwischen habe ich eine große Sammlung und arbeite in dem Bereich auch regelmäßig als DJ. Da ich mich ziemlich satt gehört habe an dem, was es bei uns so gibt, fand ich die Mischung aus orientalischer und westlicher Musik sehr toll.
Mit welchen Kompromissen muss ein Comiczeichner in Deutschland leben, wenn er diesen Beruf ausübt?
Er muss hauptsächlich mit finanziellen Kompromissen leben, weil er schlecht bezahlt ist. Inhaltlich gibt es für mich keinerlei Beschränkungen, ich kann da machen, was ich will. Leider gibt es eben nur eine kleine Leserszene, und die Comics sind eine Sparte, die nicht groß wahrgenommen wird.
Entstehen die Karikaturen deiner Figuren nach Fotos, oder wirfst du sie aus dem Bauch heraus aufs Papier?
Ich werfe sie aus dem Kopf heraus. Meistens habe ich das dort abgespeichert und muss selten was nachgucken. Und mir ist sehr wichtig, dass alles stimmt, weil es Archetypen, Klischeefiguren sind, die jeder kennt oder irgendwann schon einmal gesehen hat. Wenn ich so eine Figur zeichne, gilt es beispielsweise zu überlegen, was für Kleidung trägt sie, welche Frisur hat sie. In der Regel habe ich das aber im Kopf, weil da immer so eine Art visuelles Speicherprogramm mitläuft.
Hat sich an deiner handwerklichen Art der Kreation im Lauf der Jahre etwas verändert?
Ja, ich werde eher noch pedantischer. Das finde ich bei meinen Zeichnungen nicht so gut. Beim Machen finde ich sie immer super, wenn ich sie dann mit Abstand und auch in der Verkleinerung sehe, fällt mir auf, das hättest du eigentlich weglassen können und da hast du zu viel gemacht. Sie sind teilweise zu akribisch, was aber daran liegt, dass ich die Originale in einem übergroßen Format anlege.
Du blickst mittlerweile auf sechs Alben und damit auf über 250 Rudi-Seiten zurück. Gibt es da etwas, was du zutiefst bedauerst oder auf das du besonders stolz bist?
Mich wundert es, dass mir so viel eingefallen ist. Noch mehr wundert mich aber, dass mir heute noch immer etwas einfällt. Das wird ja nicht einfacher, sondern eher schwieriger. Ich habe die Seiten noch nie gezählt, höre das jetzt zum ersten Mal. Schon eine Menge, auch der Zeitraum, über den die Serie nun bereits läuft. Erstaunt mich selber.
Woher rührt die Inspiration, die zu einem Rudi-Comic führt?
Von dem, was ich erlebe, was ich im Fernsehen sehe oder sonst mitkriege. Manchmal fahre ich auf der Autobahn, habe plötzlich eine Idee, ausgelöst durch irgendwelche Kleinigkeiten, und dann wird daraus eine Geschichte.
Hast du das Gefühl, dass du noch besser werden kannst?
Momentan eigentlich nicht. Zeichnerisch jedoch mit Sicherheit. Ich habe in letzter Zeit alte Lucky Lukes gelesen und bewundere, wie Morris beispielsweise die Panels aufbaut. Ich habe das noch nicht entschlüsseln können. Er hat einen unheimlich reduzierten Strich und trotzdem sind Details gegeben. Die Bilder sind nie überladen, das sind tolle Kompositionen. Ich bin in der Hinsicht kein guter Comiczeichner, habe kaum Abläufe in meinen Geschichten und schlechte Panelaufteilungen. In der Regel zeige ich sprechende Köpfe in Großaufnahmen. Die Leute sagen immer, ich hätte tolle Hintergründe, verstehe ich überhaupt nicht. Ich habe sehr schwache Hintergründe und mache es mir eher sehr einfach. Manchmal setze ich bewusst eine Sprechblase irgendwo rein, damit ich dieses Hintergrundstück, was da sonst zu sehen wäre, nicht zeichnen muss.
Woher nimmst du die Energie, die Lust, die dich seit nun mehr als sechzehn Jahren Monat für Monat eine Rudi-Seite abliefern lässt?
Ich muss. Ich werde von den Stadtmagazinen, vor allem natürlich von >>> LIFT massiv unter Druck gesetzt. Ich kann es mir nicht mehr leisten, wie früher eine Seite ausfallen zu lassen. Ich weiß, dass die Leser darauf warten, muss natürlich das Geld verdienen und brauche das Material dann ja auch für das Album. Aber Energie und Lust habe ich da eigentlich überhaupt keine.
Macht Comics zeichnen glücklich?
Manchmal ja. Wenn du wirklich was Gutes machst, eine tolle Seite, einen richtig guten Gag hast, dann hast du das absolute Erfolgserlebnis.